Allgemeines zum Nature-Center in Horten:
Das Nature-Center ist eine Outdoor-Organisation, die das ganze Jahr über unterschiedlichste Kurse für Schulklassen für Kinder / Jugendliche im Alter von 6-18 Jahren anbieten. Die Schulklassen können sich auf der Website des Centers für Kurse und Termine ihrer Wahl anmelden. First come, first serve.
Sigrid, Geir-Martin und Gunn-Henny, die hier zu dritt und zu 100% arbeiten, waren zuvor selbst Lehrer und Lehrerinnen und führen dieses Center nun aus Leib und Seele. An jedem Tag im Jahr ist mindestens eine Klasse im Nature-Center. Die angebotenen Kurse sind für alle Schulklassen in Horten gratis, meistens kommt jede Klasse zwischen zwei und drei Malen im Jahr. Schulen, die aus anderen Teilen Vestfolds kommen, sowie Universitäten und Erwachsene, die ebenso Kurse machen möchten, müssen pro Besuch 3000 NOK (ca. 300€) zahlen.
Das Center wird von der „Horten-community“ finanziert und die drei Lehrpersonen bekommen zusätzlich zum Lohn noch Geld für Kleidung und Equipment bereitgestellt. Das Horten Nature-Center ist zudem bekannt / spezialisiert für drei Dinge: „water-ecology“, deren Ausrüstung und das große und breitgefächerte Wissen zu allen möglichen „outdoor“-Themen. Zudem steht hier eines der größten Teleskope Norwegens, das ebenso für Abendkurse im Sommer gebucht werden kann.
Ein typischer Tag im Horten Nature-Center:
· 8.30: wir machen uns bereit für den heutigen Kurs und bereiten alles Restliche vor
· 9:00: die Klassen kommen in Begleitung ihrer Lehrperson(en). Die meisten laufen her.
· „field course“
· 10:30/11:00: Mittagessen am Lagerfeuer (bei jedem Wetter – die Kinder rechnen damit!)
· „field course“
· 12:00-14:00: Kinder gehen zurück zu ihren Schulen
· wir räumen alles auf und bereiten sich für den nächsten Tag vor
· den Tag revue passieren lassen und Notizen zu Beobachtungen und Abläufen machen
· über den morgigen Tag reden (Vorbereitung, Wissenswertes, ...)
· 14:30: Ende für uns
Was von uns erwartet wurde:
· Pünktlichkeit und Vorbereitung
· ein Rolemodel sein
· für jedes Wetter ausgerüstet sein, weil wir immer draußen sind und immer draußen essen
· für den täglichen Kurs / Ablauf vorbereitet sein und das nötige Wissen haben
· Holz und kleine Holzstücke für das Lagerfeuer hacken und ein Lagerfeuer machen können
Meine Erkenntnisse aus dem Praktikum
In den Schulen Norwegens ist es normal, dass „outdoor“ ein eigenes Fach ist. Die Schülerinnen und Schüler können hierzu extra Kurse an den Gymnasien besuchen (14-16 Jahre) und bei der Spezialisierung auf eine Richtung zwischen „outdoor“, Sport, Theater, Wissenschaft, und vielen mehr unterscheiden. Der Fakt, dass Natur und „outdoor“ schon von klein auf ein großes Thema für die Kinder ist, konnte ich am ersten Tag mit den Kindern schon sehen. Deren Mentalität ist so anders als die, der Kinder in Österreich: die Kinder lernen in der zweiten Klasse mit einer Axt und einem Messer umzugehen - sie schnitzen fürs Leben gerne. Sie haben keine Regeln, wie hoch sie auf Bäume klettern dürfen – aber: sie müssen selbstständig wieder herunterkommen. Das Spielen im Fluss und "Herumgatschen" ist ebenso das Schönste für Kinder nach einem Schultag. „Wet and dirty kids are the most happy kids“, wie unsere Ausbildnerin Sigrid uns mitteilte. Ich habe bemerkt, dass ich – eigentlich wir alle – sehr große Angst um die Kinder haben, wenn sie riskante Spiele spielen oder mit Messern und Äxten umgehen. Für die Lehrpersonen hier ist das das Normalste und sie haben großes Vertrauen in die Kinder und lassen sie einfach machen. Learning by doing ist hier ein beliebtes Motto!
Wenn in der Schule das Thema „Tierspuren im Schnee oder auf den Wegen“ oder „Nadelbäume“ behandelt wird, ist es wichtig, sich davor den Platz, an dem man viel zu sehen bekommt, sucht. So haben wir das mit der 4. Klasse getan. Zuerst haben wir den Weg und einen Ort im Wald gesucht, an dem wir relativ viele Spuren von Tieren finden können. Die Kinder werden anschließend „frei gelassen“, unterschiedliche Spuren zu finden. Eine Regel lautete jedoch, sich nur so weit von uns Lehrpersonen zu entfernen, wie sie uns / wir sie sehen konnten. Wenn sie etwas gefunden haben, haben sie das mit dem ausgemachten Signal verkündet und die ganze Klasse inklusive der Lehrpersonen sind dorthin gekommen und man hat darüber gesprochen. Hierbei durften die Kinder ihre Hypothesen und Vorschläge zuerst einbringen, bevor die Richtigkeit des Gefundenen aufgeklärt wurde. Als Hilfe haben die Kinder zu Beginn des Tages ein laminiertes Blatt Papier bekommen, auf dem unterschiedliche Spuren anhand von Fotos dargestellt und mit den richtigen Bezeichnungen aufgeschrieben sind.
Ebenso sehr interessant war das bird-watching. Jedes Kind bekam ein eigenes Fernglas und nachdem die Einführung in den Umgang mit dem Fernglas geschehen war, sprachen wir über vier verschiedene Vogelarten, die im Umfeld des Nature-Centers zu finden sind: Kjøttmeis (Kohlmeise), Rødstrupe (Rotkehlchen), Gulspurv (Goldammer) und der Bokfink (Buchfink). Beim Besprechen wurden die Vögel anhand von Bildern gezeigt und die Namen erläutert. Anschließend gingen wir zu den Bänken am Rande des Waldes, die extra zum Vögel beobachten einige zig Meter von zwei Futterstationen angebracht sind. Es war sehr spannend zu beobachten, wie leise die Kinder auf einmal wurden und mit vollem Ehrgeiz die zu- und wegfliegenden Vögel beobachtet haben.
Unterschiede zu Schulen in Österreich
Definitiv ein Unterschied ist die den Kindern gegebene Freiheit, die sie während dem Unterricht und in den Pausen haben. Sie dürfen spielen, was und wo sie wollen, sie dürfen riskante Sachen machen (Holz hacken, schnitzen, auf Eis rutschen, ...), und vieles mehr. Sie müssen im Unterricht präsent sein und sich aktiv einbringen, allerdings gibt es wenig Kinder, die unmotiviert sind oder die Natur nicht mögen. Vor allem die Kleinen sind sehr gut ausgerüstet und könnten den ganzen Tag in strömenden Regen trocken bleiben und trotzdem Spaß haben. Die Kinder können sich immer beschäftigen, sie finden immer etwas zu tun und agieren auch sehr umweltbewusst. Nach den Lagerfeuer-Essen bleibt nie Müll liegen, die Kinder wissen, wie man sich zu verhalten hat. Beim Spielen in den Flüssen bauen sie selbstständig Brücken aus Ästen, versuchen darüber zu laufen und wenn sie ins Wasser rutschen, ist es kein Weltuntergang, sondern sie arbeiten weiter, bis die Brücke steht. Natürlich ist eine Lehrperson ständig dabei, weil das Spielen im Wasser zu den wenigen Dingen gehören, die die Lehrpersonen als gefährlich betrachten.
Im norwegischen Curriculum ist ein Ziel, die Sinne zu verwenden. Dieses Ziel habe ich im Praktikum immer wieder erfahren, als die Kinder gewisse Dinge gemacht haben. Die Sinne wurden quasi bei jeder Einheit mit jeder Klasse offensichtlich verwendet, sei es beim Schnitzen, beim Orientieren im Wald mit Karten oder beim bird-watching. Die Sinneserfahrung ist sehr wichtig – gerade für die ganz kleinen Kinder.
Ebenso steht die Orientierung beziehungsweise das Umgehen mit Karten für die 4. Klasse im Curriculum und ist ein Ziel. Die Kinder werden schon in der zweiten Klasse zu Karten, die zur Orientierung dienen, hingeführt. Zum Beispiel fertigen sie selbst Karten an, allerdings nicht mit Wörtern, sondern mit Symbolen. Beispielsweise gestalten sie eine Karte von ihrem Haus bis in die Schule mit für sie wichtigen Punkten, die sie mit Symbolen kennzeichnen (beispielsweise ein Hund für eine Hundewiese, ein Ball für einen Fußballplatz, eine Straße für eine Hauptstraße, ...). Diese Karten werden dann in der Klasse verteilt und es werden mehrere Wege von den Häusern der Kinder bis zur Schule abgelaufen (in der ganzen Klasse), um die Richtigkeit und Verständlichkeit der Karten zu überprüfen.
Was ich in meinem Unterricht auf alle Fälle einbinden und durchführen werde:
· bei Ausflügen oder „outdoor“-Einheiten die Kinder kleine Figuren schnitzen lassen und in der Schule dann Geschichten darüberschreiben lassen
· die Kinder sollen ein Lagerfeuer machen können und wissen, wie man es macht und was man dafür braucht
· die Kinder gerade im Sachunterricht die Themen selbst wählen lassen und dazu in der Natur Aufgaben machen, Ausflüge dazu machen und alles miteinander verknüpfen (Weltall: Planeten kennenlernen und bei einer vorbereiteten Planetenreise mit Schildern in den richtigen Abständen zueinander aufstellen und den Weg ablaufen. An den Schildern stehen die wichtigsten Informationen zu den Planeten und die Kinder sollen sich zu dem jeweiligen Planeten bewegen wie zum Beispiel beim Saturn → sich im Kreis drehend tanzen)
· beim Lernen der Nadelbäume im Wald nahe der Schule ein Platz finden, bei dem möglichst alle Bäume (Eibe, Kiefer, Fichte und Wacholder) zu finden sind. Dort sollen die Kinder dann die Nadeln und „Früchte“ angreifen (außer bei der Eibe wegen der Giftigkeit) und probieren, sowie die Bäume selbst finden und dann umarmen, wenn sie sie gefunden haben. Die jeweiligen Zapfen und Tannenzweige werden in Gefrierbeuteln gesammelt, die die Kinder mitnehmen. In der Schule wird dann als Überprüfung eine Partnerübung gemacht, bei dem jeweils ein Kind die Augen schließt und das andere Kind ein Nadelzweig oder ein Zapfen in die Hand bekommt zum Fühlen, Riechen und Schmecken, damit das Kind den jeweiligen Baum erkennt. Beim Wandern durch den Wald werden dann auch sicher unterschiedliche „tracks“ von Tieren gefunden (Kot, abgenagten Nüsse, Schlafplätze, ...), über die dann ebenso geredet wird und die Kinder etwas lernen.
· aus Wacholder-Zweigen Tee machen, den die Kinder probieren können und erkennen, dass aus den einfachsten Dingen vom Wald etwas zu Trinken oder zu Essen (im Sommer die Beeren) gemacht werden kann.
· 50-game (Plan- oder Hausspiel)
· Orientierungslauf „star volunteering“ mit Clips
· Holzhacken und Schnitzen
· Pancakes am Lagerfeuer machen
· Chemie – Wasserstadien, verschiedene Experimente (Bilder von Aufgaben)
· Karten gestalten, damit die Wege von der Schule zu gewissen (abgemachten) Orten mit der Klasse ablaufen
· einen Parkourtag machen, bei dem die Kinder ihre Sinne verwenden müssen. Parcours mit Schubkarren, mit zusammengebundenen Beinen, durch verbale Anweisungen eines Partners den Parkour ablaufen. Die Kinder haben viel Spaß daran und sind motiviert. Auch das eigene Erfahren und Vertrauen gegenüber dem anderen ist sehr wichtig.
· beim Thema Temperaturen ebenso nach Draußen gehen, jedes Kind bekommt ein eigenes Thermometer und einen Becher. Das Thermometer wird zuerst besprochen und erklärt, bevor die Kinder unterschiedliche Dinge messen sollen (Körperwärme, Eiswasser, Schnee, kochendes Wasser, ...). Im Praktikum war bei dieser Aktivität interessant zu beobachten, wie schlau die Kinder sind, indem sie ohne Anweisungen beispielsweise Schnee ins kochende Wasser gegeben haben, um zu messen, wie kalt das Wasser mit dem Schnee wird und wie lange der Prozess dauert.
Fazit zum Praktikum
Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Praktikum erleben und durchführen konnte. Zu sehen, dass jeder Tag komplett unterschiedlich aufgebaut und geplant ist und die Kinder immer wieder etwas komplett Neues lernen und jedes Mal mit voller Motivation und Begeisterung mitarbeiten, hat mich sehr beeindruckt! Der Lebensstil beziehungsweise die Mentalität der Menschen hier in Norwegen ist einfach deutlich anders als die bei uns in Österreich.
Ich konnte so viel lernen und werde sehr viel mit nach Hause nehmen und mit meiner eigenen Klasse durchführen (wie zum Beispiel der Temperatur-Tag mit den Thermometern, das bird-watching, Figuren schnitzen und die Orientierungsläufe beziehungsweise das Arbeiten mit Karten).