Gemeinsam haben wir, Victoria und Pia, mit unserem Schwerpunkt Inklusion, ein Praktikum in einer Volksschule in England geplant, organisiert und umgesetzt. Das Praktikum wurde durch keine Organisation oder jegliches Bildungsprojekt unterstützt.
Am 02. Februar 2020 landeten wir in Manchester am Flughafen in England und fuhren weiter nach Liverpool, wo wir eine Airbnb-Wohnung gebucht hatten, welche ca. 25 Gehminuten von der Schule entfernt war. Am Montag, den 03. Februar, begann unser Praktikum am Liverpool College.
Das Liverpool College ist eine Ganztagsschule in Moosley Hill, welche von 1500 Schülerinnen und Schüler im Alter von 4-19 besucht wird. Das Team besteht aus 150 Bediensteten und das College ist unterteilt in vier Schulgruppen: Pre Prep School, Prep School, Middle School und Sixth From. Wir absolvierten unser Praktikum in der Prep School. Diese startet täglich um 8.40 Uhr und endet um 15.15 Uhr bzw. 16.00 Uhr.
Die Schüler und Schülerinnen tragen eine Schuluniform, auf welche auch im Sportunterricht sehr großen Wert gelegt wird. Das Liverpool College wird als inklusive Schule bezeichnet und wird unter anderem von Kindern mit ASS, Hörgeschädigten Kindern, sowie Kindern mit SEN (Speacial Educational Needs/ SPF in Österreich) besucht.
Die Kinder der gesamten Prep School sind in unterschiedliche „Häuser“ eingeteilt. Zu bestimmten Besprechungen (beispielsweise über Verbesserungsvorschläge des Schulhofes, oder zu Wettkämpfen) versammeln sich die Kinder in den Häusern mit den entsprechenden Lehrpersonen und beraten sich über wesentliche Dinge zu den passenden Themen bzw. Wettkampfsituationen. Auch in der Gruppe der Häuser können die Kinder gemeinsam Punkte sammeln und beim Assembly als Gruppe ausgezeichnet werden. Welche Kinder in welchem „Haus“ eingeteilt sind, erkennt man an einem farbigen Streifen an der Uniform.
Haus |
Farbe |
Brooks |
Schwarz |
Butlers |
Grün |
Howsons |
Blau |
Selwyns |
Rot |
Die gesamte Schule verfolgt drei wichtige Kernmerkmale: Zweck, Leidenschaft und Herausforderung. Jede Lernsituation ist an diese Punkte angepasst und der Lernstoff wird danach praktiziert. Auch die Kinder werden mit diesen Merkmalen in direkten Bezug gebracht, da sie Lobeskärtchen dafür erhalten.
Je nach Leistung bekommt ein Kind ein PPC – Point in Form eines Zettels. Die Kinder und auch die Klasse sammeln die Points bis zum Ende der Woche. Die Klasse und die Kinder mit den meisten Punkten werden am Ende der Woche vor der ganzen Schule beim Assembley gelobt. Die Kinder erhalten ebenso PPC Points wenn sie gute Arbeit in ihren Heften und Büchern leisten und wenn sie am Ende des Schultages mit ihrer Klammer auf dem Schild „Outstanding“ haften.
What does Purpose, Passion and Challenge mean to me?
“Do I understand what I am learning in this lesson?
Am I working hard in this lesson?”
Passion
“Am I fully involved in this lesson? Am I enthusastic about my learning?”
Challenge
“Am I trying to improve my work in this lesson? Am I aiming to be the best that I can be? Do I keep trying even when it is hard?”
Victoria absolvierte ihr Praktikum in der Klasse 3P. Dort werden 16 Jungs und 13 Mädchen unterrichtet, die im Alter von sieben und acht Jahren sind. In dieser Klasse wurde ein 7-jähriger Junge mit einer Autismus-Spektrum-Störung unterrichtet. Allerdings benötigte er eine 1zu1 Betreuung und saß mit dem Rücken zur Klasse, sodass er nicht zu vielen Störfaktoren ausgesetzt ist. Für 29 Kinder handelt es sich um einen äußerst kleinen Klassenraum mit ca. 25m2. Die Tische sind zu vier sechseckigen Tischen und zwei kleineren Tischen an der Wand gestellt. Im Unterschied zu unseren Schulen haben die Kinder hier keine wirklich fixen Sitzplätze. Die Sitzordnung ändert sich jeweils in den Fächer Mathematik, Englisch und in „Topic“. Jedes Kind weiß, wo es sein Platz in diesen Stunden findet, ansonsten ist auch auf einem Plan an der Wand ersichtlich.
Pia absolvierte ihr Praktikum in der Klasse „Year 4“, in welcher die Kinder zwischen acht und neun Jahre alt sind. Diese Klasse wird von 28 Kindern aus unterschiedlichen Kulturen besucht, darunter fünf Kinder mit einem SEN/SPF. Die Lehrperson unterrichtet größtenteils alleine in der Klasse. Hin und wieder nimmt eine Lehrperson einzelne Kinder heraus oder setzt sich zu bestimmten Kindern an den Tisch.
Die Fächer Englisch und Mathematik finden jeden Tag zum selben Zeitpunkt statt. Die ersten 30 Minuten jeden Morgen, werden für unterschiedliche Fächer verwendet, welche nicht als "erste Stunde" angesehen werden. Am Montag ist Kapelle, Dienstag Religion, Mittwoch Soziales Lernen, Donnerstag Klassenversammlung und am Freitag Feier-Versammlung. Das Liverpool College legt sehr viel Wert auf das selbständige Lesen, denn jeden Tag werden dafür mindestens 15 Minuten vorgesehen. Für das Maths Meeting verlassen einzelne Kinder das Klassenzimmer und treffen sich mit einer anderen Gruppe, während die anderen Kinder lesen. Um 12 Uhr gibt es eine einstündige Mittagspause, in der die Kinder in der Essenshalle etwas zum Essen bekommen. Am Nachmittag finden verschiedene Unterrichtsfächer statt (Zeichnen, Musik, Geschichte…). Zwischen der Stunde 3 und 4 ist jeweils eine zehn-minütige Pause. Jeden Tag haben die Kinder bis 15.15 Uhr Unterricht, ausgenommen am Dienstag und Donnerstag, dort werden die letzten 45 Minuten für unterschiedliche Aktivitäten, wie beispielsweise Yoga, Tischtennis, Instrumentalunterricht, Theatergruppen… genützt.
Beim Class Assembly, welches jeden Donnerstagmorgen stattfindet, werden außerschulische Personen eingeladen, welche über Themen, mit denen sie in ihrem Beruf konfrontiert sind, referieren. Diese finden ebenfalls in der Halle mit der gesamten Schule statt. Während unseres Praktikums waren Assemblys zu den Themen: nicht-fiktive Geschichten schreiben, Faulheit, und Maths and Science. Uns fiel auf, dass die Kinder den Vorträgen sehr interessiert und konzentriert lauschten. Über diese Referate haben die Kinder die Möglichkeit neue Ideen bzw. Blickwinkel auf unterschiedliche Themen zu gewinnen und Interessen zu entwickeln. Außerdem wird es den Kindern ermöglicht ihre Rollenbilder nicht zu verstärken, indem beispielsweise Naturwissenschaftlerinnen Vorträge halten und somit auch die Interessen der weiblichen Kinder geweckt und zugelassen werden.
Bei der von der Direktorin moderierten Celebration Assembly versammelt sich die ganze Schule in der Halle, wobei die Schülerinnen und Schüler für ihre herausragenden Leistungen der Woche gefeiert und zertifiziert werden. Dabei werden in jeder Klasse zwei Kinder von ihren Klassenlehrern für eine Auszeichnung nominiert. Diese kann in jedem Bereich stattfinden, beispielsweise wird ein Kind für eine einwandfreie Erklärung mit vielen mathematischen Fachbegriffen im Mathematikunterricht ausgezeichnet. Zudem wird für jedes Kind applaudiert, das eine Auszeichnung erhält, worüber sich alle Kinder sehr freuen.Zum Schluss des Assemblys wird von der Direktorin berichtet, welches House Team die meisten House Points gesammelt hat. Das Assembly veranlasst die Kinder motiviert und zielstrebig im Unterricht mitzuarbeiten, da jedes Kind gerne eine solche Auszeichnung erhält und mit Stolz entgegennimmt.
Das Schulgebäude sowie die Klassenräume sind insgesamt sehr alt und klein. Durch den Platzmangel in den Räumlichkeiten gibt es wenig Möglichkeiten zur Anwendung unterschiedlicher Sozialformen und Rhythmisierung des Unterrichts. Trotzdem arbeiten alle Kinder sehr konzentriert und aufmerksam mit und sind sehr aktiv. Zudem gibt es wenig Stauraum, somit gestaltet sich der Klassenraum etwas unordentlich.
Belohnungen und Sanktionen werden ähnlich wie auch teilweise bei uns mit einem „Ampelsystem“ geregelt. Jeden Morgen startet jedes Kind bei „Ready to Learn”. Die Klammern werden nicht von der Lehrperson verschoben, sondern von den Kindern selbst.
Die Klammer wird nach oben versetzt, wenn...
Die Klammer wird nach unten versetzt, wenn…
Die Kinder wissen, wenn ihre Klammer unten ist, können sie etwas Gutes tun, damit ihre Klammer wieder nach oben rückt.
Jede einzelne Lehrperson in der Prep School, wendet diese Methode an, das wiederum eine Transparenz des Lehrerverhaltens bei den Kindern ermöglicht, da jede Lehrperson die gleichen Konsequenzen für bestimmtes Verhalten von Schulkindern zieht. Zudem wird den Kindern vermittelt, dass alle Lehrpersonen am selben Strang ziehen und die gleiche Ziele und Grenzen verfolgen.
Über diese Methode kann positives Verhalten im Klassenzimmer verstärkt werden, indem den Kindern das Verhalten aller Schüler*innen visualisiert wird. Es ermöglicht ihnen einen Überblick über ihr Verhalten zu haben und Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.
Die Stadt, in der es keine Probleme, nur Situationen gibt!