O Canada!

Bridgewater Elementary School -

 

Eindrücke einer lebendigen und offenen Schule

 

Allgemeine Infos

Die Bridgewater Elementary School beherbergt ca. 300 Schüler zwischen Primary Grade und Grade 4. Im Gebäude daneben, der Junior High, werden Kinder ab Grade 5 unterrichtet. 

Die großzügige Spende eines aus Indien stammenden Mannes, der für ein Jahr in der BES unterrichtete und später erfolgreicher Geschäftsmann wurde, ermöglichte den Umbau und die Renovierung des Pausenhofs im vergangen Jahr. 

 

Bereits seit 30 Jahren ist das Schulsystem in Kanada inklusiv ausgerichtet. Demnach sind die Schulen auch infrastrukturell gut auf alle möglichen speziellen Bedürfnisse der Kinder ausgerichtet. Die Bridgewater Elementary School hat ein großes "Learning Centre", in dem Kinder mit speziellen Bedürfnissen zeitweise betreut werden. Dabei handelt es sich oft um nur wenige Stunden pro Tag oder die Pausen, die restliche Zeit verbringen sie in ihren Stammklassen, begleitet von Teaching Assistants (TA). Beinahe in jeder Klasse sind Kinder integriert und werden von TAs unterstützt, somit sind fast immer mehrere Lehrpersonen in den Klassen anwesend. 

Was ich besonder spannend finde, ist die Stellung der "richtigen" Lehrperson in der Klasse. Während diese nämlich ein Studium, vergleichbar mit dem in Österreich, absolviert haben, handelt es sich bei der TA-Ausbildung um, einmal in der Woche für ein Jahr stattfindende, Abendkurse. Viele Quereinsteiger bekommen so die Chance in Schulen arbeiten zu können. Auch wenn die Lehrpersonen häufig jünger als die TAs sind, ist die Lehrperson die große Respektsperson im Klassenzimmer, für die Kinder, als auch für die Assistenten. So werden nur die Lehrer mit dem Nachnamen angesprochen, TAs mit dem Vornamen.

Und auch wir werden für die nächsten vier Wochen als Miss Aurelia und Miss Alex die Schule, die Lehrer und ihre Kinder kennenlernen dürfen! 

 

Tägliche Routinen

Die Kinder kommen um viertel nach 8 in die Schule und haben bis 8:35 Uhr Zeit anzukommen, zu lesen oder zu frühstücken. Das Frühstück wird jeden Morgen vom Schulwart in die Klasse gebracht und die Kinder können sich da bedienen. 

 

Ein typisches Frühstück für die Kinder in der BES: Frühstücksmuffins, Tiefkühlkarotten, Käse und gefrorene Joghurt Sticks. Häufig gibt es auch Toast, Rosinen oder Melonen. Bei den Kindern besonders beliebt sind natürlich die Joghurts, die sie wie ein Eis schlecken können. 

Der Unterricht wird mit dem Singen der Hymne begonnen, die Musik läuft aus den Lautsprechern in die Klasse. Die Lehrpersonen und Kinder stehen dafür auf und es singen alle gemeinsam. Im Anschluss folgt die Begrüßung und Informationen der Direktorin. 

 

Bis 10 Uhr läuft der Unterricht, dann essen die Kinder ihre Snacks und gehen für 20 Minuten nach draußen spielen. 

Um 12 Uhr gibt es Lunch. Die meisten Kinder bringen ihr Essen von zu Hause mit, es gibt aber auch die Möglichkeit Essen in der Kantine zu bestellen. Danach sind die Kinder bei gutem Wetter bis 13:00 Uhr im Freien, bei schlechtem Wetter bleiben sie in der Klasse und spielen dort. 

 

Der Unterricht am Nachmittag dauert bis 14:35 Uhr. Manche Kinder gehen auf den Bus, ein paar werden von den Eltern abgeholt und einige gehen auch in die Daycare. 

Primary 

Die Primary, also die Vorschule, ist hier für alle Kinder ab fünf Jahren verpflichtend. doch anders, als man sich das vorstellen würde, lernen die Kinder hier bereits vor der Grade 1 rechnen, lesen und schreiben. Einige der Kinder lesen sogar schon auf dem Leselevel eines Viertklässlers. 

In der Bridgewater Elementary School gibt es drei Primary Klassen. Unser Praktikum hat sich so entwickelt, dass jeweils eine der Primaryklassen zu unserer "Stammklasse" geworden ist. Die Vormittage verbringen wir oft auch in anderen Klassen oder Räumen und an den Nachmittag gehen wir zurück zu unseren Zwergen ;) Und ich würde lügen, wenn ich sagen würde ich hätte sie noch nicht in mein Herz geschlossen. 

 

Die Arbeit in der Primary ist für uns sehr spannend, da Sprache und Sprachbetrachtung eine ganz große Rolle spielt. Die Kinder buchstabieren sehr viel und das "Hören von Sounds" in den Wörtern ist entscheidend im Schriftspracherwerb. Dies lässt sich zwar nicht auf die deutsche Sprache ummünzen, allerdings helfen mir diese Übungen, die unter dem Aspekt der phonologischen Bewusstheit stehen, bei der englischen Aussprache und in dem Fall lerne ich sogar mit den Kindern :) Ein großer Bestandteil dieser Arbeit ist das gemeinsame Schreiben der "News", bei denen Dinge über den Tag geschrieben werden. Die Wörter dafür werden gemeinsam buchstabiert und zum Schluss noch gemeinsam gelesen. Die Lehrerin tippt diese News dann ab und gibt sie am Ende des Tages gemeinsam mit den Hausaufgaben den Kindern mit nach Hause. Ich finde das eine tolle Möglichkeit die Eltern ein wenig am Schulalltag teilhaben zu lassen. 

 

Was mir besonders gut an dem Unterricht gefällt, ist, dass das Lernen wirklich spielerisch ist. Es gibt eine unzählige Auswahl an Materialien, auf die die Lehrer zurückgreifen können. Im halboffenen Unterrichtssettings, den sogenannten Learning Centres, sind immer auch spielerische Elemente eingebaut. Die Anforderungen an die Kinder sind deshalb aber nicht weniger hoch. 

Eine tolle Sache und für die Kinder ganz besonders, ist die "Paths Kid of the Day"-Aktion. In jeder Klasse gibt es jeden Tag ein anderes "Paths Kid". Dieses Kind, das mit einem Sticker markiert ist,  ist das erste in der Reihe wenn die Klasse durch die Schule läuft. Auch die Musik- und Turnlehrer wissen so, wer voraus läuft. In den älteren Stufen soll das Kind dann auch darauf achten, dass die Kinder sich anständig im Gang benehmen. 

In der Primary kommt dem Path Kid noch eine größere Ehre zuteil. Während des Sitzkreises darf das Paths Kid auf einem Stuhl sitzen und am Ende der News einen Satz sagen, der dann auch aufgeschrieben wird. Dabei kommen richtige süße Sachen wie: "I love my family" oder "I am the happiest boy alive.". 

Außerdem werden dem Kind am Morgen Komplimente gesagt und von der Lehrerin aufgeschrieben. Dieses Blatt darf das Kind mit nach Hause nehmen. 

Resource Room

An einem Vormittag durften wir ihm Resource Raum bei Mrs. Cook dabei sein. Sie betreut immer ein bis drei Kinder für eine halbe Stunde ein paar Mal die Woche um mit Förderungen in verschiedenen Bereichen durchzuführen. 

Die meisten Kinder haben auditive Schwierigkeiten und üben das Hören von Sounds bei Wörtern. Aber auch mathematische Förderung bietet Mrs. Cook an. 

Auch zwei gehörlose Buben mit Hörgeräten durften wir kennen lernen. Mit ihnen liest Mrs. Cook Bücher und übt die Aussprache von Wörtern. 

 

Behaviour Room

Einen ganz besonders spannenden Vormittag verbrachten wir im Behaviour Room bei Paul. Paul betreut in seinem Programm bis zu zehn Schüler, die unter psychischen Krankheiten wie Depressionen leiden. Auch traumatisierte Kinder oder Kinder, die unter hohen emotionalen Druck stehen werden von ihm täglich betreut.

 

Zu Beginn des Jahres wird gemeinsam mit den Eltern und den anderen Lehrpersonen ein "Behaviour Plan" erstellt. Dabei werden Ziele des Kindes gemeinsam besprochen und niedergeschrieben. Im Anschluss wird auch das Kind miteinbezogen und es werden Maßnahmen zum Erreichen der Ziele gesetzt. Ist ein Ziel erreicht, wird am nächsten gearbeitet. "Realistisch sind zwei bis drei Ziele pro Schuljahr", sagt Paul. 

 

Gemeinsam mit den Kind überlegt sich Paul, zu welchen Zeiten das Kind eine Pause benötigen könnte. Diese Pausen darf das Kind dann bei Paul verbringen. Dabei geht es darum, dass das Kind Abstand vom Trubel der Klasse bekommt, sich auf sich konzentrieren kann und Zeit zum Verarbeiten hat. Außerdem bringt Paul den Kindern Wichtiges über die Funktion unseres Gehirns bei. Das Kind soll verstehen, wie das Gehirn und unser Körper funktioniert, um darauf zu reagieren. 

 

Beispielsweise durften wir beobachten wie Paul mit einem 5-jährigen Jungen, der zu Hause von seinem gewalttätigen Bruder tyrannisiert wird, den Puls im Ruhezustand gemessen hat. Anschließend rannte der Junge und der Puls stieg. Paul führte mit ihm dann einige Übungen zur Pulsstabilisierung, wie Atmenübungen, durch und das erneute Messen zeigte, wie der Puls wieder gesunken ist. Dies war für den Jungen, und auch uns, sehr eindrücklich. Paul erklärte dem Jungen danach, was gerade in seinem Körper passiert ist und wie er diese Übungen auch im Alltag einsetzen kann. 

 

Die Nachmittage verbringt Paul jeweils mit drei Kindern gemeinsam. Sie gehen einkaufen, kochen oder spielen gemeinsam. Paul ist es wichtig, den Kindern eine Alltagsstruktur mitzugeben und sie somit auf das spätere Erwachsenenleben vorzubereiten. 

 

Wir waren schwer beeindruckt von den individuellen und sehr spannenden Maßnahmen, die Paul sich für jedes Kind überlegt! Auch die Zusammenarbeit mit den Lehrern und Eltern scheint richtig gut zu funktionieren. Und vielleicht bekommt Paul ja irgendwann auch soviel Unterstützung wie der Learning Room, der Kinder mit "special needs" betreut... 

Was ich über "das Land der Bären, Seen und Entschuldigungen" gelernt habe... 

 

1. ... Schneestürme halten kein Flugzeug auf - sie lassen es nur verspätet losfliegen. 

Unsere Anreise begann bereits sehr spektakulär. Die Dame, die am Flughafen München unser Gepäck entgegen nahm, prophezeite uns bereits, was uns erwarten würde: "Sie werden heute wohl noch etwas länger unterwegs sein.". Ein Schneesturm in Toronto hatte bereits Tage zuvor Flüge von und nach Kanada verspäten lassen. 

So war es keine Überraschung, dass auch wir unseren Anschlussflug von Toronto nach Halifax verpassen würden. In ständigem Kontakt mit unseren Gastfamilien erreichten wir unseren Zielflughafen tatsächlich erst mit knapp siebenstündiger Verspätung.

 

 

2. ... Die Organisation der Kanadier ist allem einen Schritt voraus. 

Trotz dem sehr winterlich-stürmischen Empfang in Kanada, durften wir uns von Beginn an über die Herzlichkeit und das Organisationstalent der Kanadier freuen. Der Start für den Flug von Toronto nach Halifax wurde immer wieder weiter nach hinten verschoben, zusehr war man vom Wetter abhängig. Trotzdem wurden wir viertelstündlich per Mail auf dem Laufenden gehalten. Die Information über neuerliche Verspätungen war sogar schon auf unserem Smartphone, bevor das Bodenpersonal darüber informiert wurde.

 

Noch während wir im Flugzeug saßen, buchte uns unsere Koordinatorin ein Hotel im Flughafenhotel (welches weitaus luxuriöser ist, als man sich ein solches vorstellen würde). Am Flughafen angekommen, wurden wir von einem jungen, sehr freundlichen Mitarbeiter empfangen und bis zu unserem Hotelzimmer geführt - obwohl das Hotel im Flughafengebäude und sehr gut beschildert ist. Am nächsten Morgen erwartete uns, und die zahlreichen Middle School Exchange Students (für die wir übrigens auch gehalten wurden :)),  ein reichhaltiges Frühstück, bevor wir uns auf den einstündigen Weg nach Bridgewater zu unseren Gastfamilien machten. 

 

3. ... Winter Carneval ist bei allen beliebt! 

Eine Woche lang jeden Tag verkleidet zur Schule zu gehen - das klingt jetzt nicht für jeden so verlockend ;) In der BES steht die Carnevalwoche jeden Tag unter einem anderen - sehr einfachen - Motto, das für alle umsetzbar ist. 

Montag: Pyjama Day 

Dienstag: Fancy Day (Kleine Kinder in Hemden, Anzügen und Ballkleidern!!!!!) 

Mittwoch: Sports Day 

Donnerstag: Red-White-Pink Day (Valentinstag) 

Freitag: Crazy hair oder Crazy hat Day

 

Es war so toll zu sehen, dass sich die Lehrer in der Umsetzung in der Kostüme besonders Mühe gegeben haben. Auch die Kinder waren jeden Tag dem Motto entsprechend gekleidet. 

Super finde ich, dass an keinem Tag verlangt wird, dass die Eltern etwas kaufen müssen. Die Mottos lassen sich ganz einfach mit Klamotten von zu Hause umsetzen. 

 

Meine Gastmama ist Lehrerin in der Schule und erzählte mir, dass sie vor ein paar Jahren einen Jungen in der Klasse hatte, der gesagt hat, dass er keine Pyjamas zu Hause hätte. Also kaufte sie ihm Secondhandshop einen für ihn und brachte ihn zu ihm nach Hause. Die Mutter musste lachen, natürlich hätten sie Pyjamas zu Hause, sie würden sie nur "Pyji" nennen ;) 

Aber dieses Beispiel zeigt, dass die Lehrer in der Schule sehr darum bemüht sind, soziale und vielleicht auch finanzielle Ungleichheiten in der Klasse auszugleichen. Ich finde es beeindruckend, wie selbstlos die Lehrer hier oft handeln. 

Auch wir hatten Spaß beim Winter Carneval - wie hier am Crazy hat Day :) 

 

4. ... der Valentinstag spielt hier eine große Rolle!

Dass der 14. Februar bald vor der Tür steht, konnte man schon bei unserer Ankunft sehen. Überall war Werbung, die Geschäfte voll mit roten und Karten, Schokoladen und überteuerten Blumen und natürlich die Vorfreude bei den Kindern. Einige der Kinder waren schon Tage zuvor mit dem Basteln von Karten beschäftigt und die Aufregung war deutlich zu spüren. Nur wir wussten nicht so wirklich wie uns geschah. Als meiner Gastmutter klar wurde, dass wir nicht so richtig wussten, was auf uns zu kommt besorgte sie mit uns kleine Karten, die wir für jedes Kind unterschreiben und ihnen schenken konnte. Zum Glück hatten wir diese kulturelle Hilfe, denn sonst wären wohl viele Kinder sehr enttäuscht gewesen. Geschenke von Lehrern und Mitschülern zu bekommen ist hier so selbstverständlich wie die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Wir waren beeindruckt von der Anzahl der Aufmerksamkeiten, die an diesem Tag in der Klasse ihre Besitzer wechselten. 

Das Tolle daran: Auch wir wurden beschenkt :) 

 

5. ... wie 10 cm Schnee das ganze Dorf lahm legen. 

Mal ehrlich - wenn man mir hiervon im Vorhinein erzählt hätte, hätte ich gedacht es handelt sich um einen Witz. Aber es stimmt tatsächlich - schneit es hier (in Kanada!) über Nacht, so sind die Schneeräumungsarbeiten bis zum Morgen nicht abgeschlossen, sondern beginnen erst. Das führt dazu, dass die Straßen nicht sicher genug sind Schulbusse fahren zu lassen. Und somit kommt es zu einem, bei Eltern gefürchteten und bei Kindern beliebten, "SNOWDAY". 

Morgens um 6 Uhr werden die Eltern und Lehrer über eine Homepage oder eine Email darüber benachrichtigt, dass an diesem Tag alle Schulen geschlossen bleiben. Kommt es besonder schlimm bleiben auch viele Geschäfte und Büros geschlossen um die Sicherheit der Mitarbeiter nicht zu gefährden. 

Das hört sich ja alles sehr dramatisch an, jedoch war ich doch sehr überrascht, als an unserem Snowday nur 10 cm Schnee auf den Straßen lagen. Auch um die Mittagszeit waren noch längst nicht alle Straße geräumt und das sonst doch belebte Bridgewater war wie lahm gelegt. Die anderen Lehrpersonen waren doch sehr überrascht, als wir ihnen erzählten, dass ein Snowday bei uns wohl sehr unwahrscheinlich ist und viel passieren müsste, dass die Schulen geschlossen bleiben. Dass Schneeräumungen bei uns wenn nötig schon in der Nacht beginnen, konnten sie sich kaum vorstellen. 

 

Für die Eltern, außer sie sind selbst Lehrer, bedeutet ein solcher Morgen vorallem Stress. Manche müssen sich einen Tag Urlaub nehmen, andere teure Daycares oder Tagesmütter bezahlen - und das an ungefähr 14 Snowdays im Jahr. Und ich habe auch schon einen Hinweis entdeckt, dass mit den Schulschließungen nicht alle einverstanden sind...